Polizeitrick




Vor einiger Zeit im Spätdienst: Ich wurde mit meinem Kollegen zu einer älteren Dame geschickt, um die sich eine befreundete Nachbarin ernstlich Sorgen machte. Die Freundin hatte mitbekommen, dass die Frau einen Anruf erhalten hatte, nach dem sie vollkommen verändert erschien. Die Nachbarin wurde abgewimmelt und schon fast aus dem Haus komplimentiert und zum Anrufer wollte die Frau keine Informationen herausrücken. Dieses Verhalten erschien der Nachbarin nicht nur ungewöhnlich, sondern geradezu verdächtig. Immerhin hatte man ja in letzter Zeit so viel von Betrügern gehört, die es auf Senioren abgesehen haben. Da die Frau durchaus im Seniorenalter und darüber hinaus auch noch einigermaßen wohlhabend und alleinstehend war, rief die Nachbarin kurzerhand bei der Polizei an.Nachdem wir kurz mit der Nachbarin gesprochen hatten, begaben wir uns über die beiden Einfahrten zum Haus der alten Dame. Die hatte unser Eintreffen und das Gespräch an der Haustür der Nachbarin bereits bemerkt und öffnete die Tür, bevor wir diese erreicht hatten. Die Frau war Ende siebzig, schlank und machte einen sehr gepflegten Eindruck. Allerdings zeigte sie sich unwillig, uns hereinzubitten, blieb dabei aber ständig höflich. Eigentlich hatte sich die Nachbarin gewünscht, der Frau gegenüber unerwähnt zu bleiben. Das hatte sich aber mit dem von dieser beobachteten Gespräch wohl erledigt. Wir teilten der alten Dame also mit, dass man um sie besorgt sei und fragten sie, ob denn irgendetwas vorgefallen sei, das diese Sorge begründe. Das verneinte sie ganz vehement. Es sei alles in bester Ordnung und unser Erscheinen sei für sie genauso überraschend wie überflüssig. Man merkte dieser Frau an, dass sie ein bildungsnahes Leben geführt hatte und wohl sonst durchaus in der Lage war, dieses eigenständig zu bewältigen.Noch während wir versuchten, die Hintergründe für unser Hiersein zu ergründen, klingelte das Mobilteil ihres Telefons, das sie die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte. Sie entschuldigte sich, ließ uns an der geöffneten Tür zurück und verschwand über die Treppe in den ersten Stock des Hauses und damit außer Hörweite. Der Kollege und ich schauten uns vielsagend an, denn die paar Wortfetzen, die wir beim Rückzug der Dame mithören konnten, klangen nicht nach einem freudigen Gespräch. Kurz darauf erschien sie wieder auf der Treppe und bat uns, doch jetzt zu gehen, da sie mit ihrem Sohn in Ruhe telefonieren wolle. Ich erwiderte: „Das trifft sich ja sehr gut. Könnte ich wohl einen Moment mit Ihrem Sohn sprechen?“, während ich ihr meine Hand erwartungsvoll entgegenstreckte. Das brachte sie sichtlich aus dem Konzept: „Wieso wollen sie mit meinem Sohn sprechen? Das kommt ja gar nicht in Frage!“. Ihr Blick war sowohl erschrocken, als auch überrascht.„Ich habe ehrlich gesagt den leisen Verdacht, dass da gar nicht ihr Sohn am Telefon ist und würde den gerne ausräumen.“, antwortete ich so freundlich, wie man jemandem eine Lüge nur vorwerfen kann.Leicht entrüstet, aber auch in einem ertappten Tonfall, erwiderte sie: „Das geht jetzt nicht.“, hielt sich das Mobilteil ans Ohr und sagte: „Wir sprechen später.“ hinein. Dann drückte sie die Trenntaste am Gerät und schaute uns etwas verschämt an: „Dann kommen Sie mal herein, meine Herren!“, forderte sie uns auf und führte uns in ein geräumiges Wohnzimmer, wo wir um einen Esstisch herum Platz nahmen. Um das betretene Schweigen zu brechen, begann ich das Gespräch:„Ich weiß, dass Sie sich in einer für Sie total ungewohnten und unangenehmen Situation befinden. Vielleicht darf ich ja damit beginnen, Ihnen zu schildern, was wir denken, was vorgefallen ist?“. Die Dame schaute mich nur an und nickte wortlos.„Ich denke, Sie haben vorhin im Beisein Ihrer Nachbarin einen Anruf erhalten. Auf dem Display wurde vielleicht sogar die Nummer 110 angezeigt. Die unbekannte Person am anderen Ende gab vor, bei der Polizei zu arbeiten und für Sie sehr wichtige Informationen zu haben. Dafür sei es aber sehr wichtig, dass sie alleine seien. Wenn sie das nicht seien, sollten sie das Gespräch jetzt beenden und die anwesende Person so schnell und unauffällig wie möglich loswerden. Man werde Sie dann in wenigen Minuten erneut anrufen. Es sei aber unbedingt erforderlich, dass Sie absolutes Stillschweigen über dieses und noch kommende Gespräche bewahren! Ist das bisher so in etwa richtig?“. Die alte Dame schaute mich mit großen Augen verwundert an und nickte wieder nur stumm. „Wenig später, als sie Ihre Nachbarin gerade hinausbefördert hatten, rief dieselbe Person erneut an und erzählte Ihnen, dass man Ihre Daten in der Tasche eines Täters gefunden habe, der wegen Straftaten wie Einbruch und oder Betrug festgenommen worden sei. Dieser Täter sei Mitglied einer Verbrecherbande, die genau in Ihrer Nachbarschaft schon seit einiger Zeit ihr Unwesen treibe. Nun wolle man sich vergewissern, dass die vorhandenen Daten richtig seien und Sie darum bitten, mit der Polizei zusammen zu arbeiten. Ist auch das korrekt?“. Inzwischen war Ihr Mund aufgeklappt und bildetet den Punkt unter dem Fragezeichen, welches in ihrem Gesicht leuchtete: „Das stimmt fast wörtlich!“, stieß sie leise hervor. Ich fuhr mit meinem Vortrag fort: „Dann nannte man Ihnen vermutlich einige Daten, wie Name, Geburtsdatum, vielleicht sogar eine Kontonummer, die man bei dem Täter gefunden haben wollte. Diese Daten stimmten sogar und sie waren erschrocken, wie diese denn in die Hände von Verbrechern geraten waren. Um diese Daten abzugleichen, sollten sie diese noch ergänzen und vervollständigen. Also gaben sie bereitwillig alle Ihre Kontonummern, Versicherungsnummern von vermögensbildenden Lebensversicherungen und alle dazugehörigen Bankleitzahlen an. Auch die Frage nach Bankschließfächern beantworteten Sie wahrheitsgetreu, genauso wie die Frage nach Bargeld und Wertgegenständen im Haus. Schließlich bläute die Person Ihnen noch ein, selbst anderen Polizeibeamten gegenüber, die sich Ihnen nicht mit einem Kennwort oder ähnlichen als eingeweiht zeigen, unbedingt Ihren Kontakt zur Polizei zu verschweigen und gar zu leugnen. Man werde sich wieder mit Ihnen in Verbindung setzen und den Plan für eine Falle für die Verbrecher besprechen. Dafür sollten Sie doch bitte schon einmal Ihr Bargeld und die mobilen Wertsachen zusammensuchen, denn diese würden natürlich von einem Kollegen abgeholt, damit bei der Falle nichts schief gehen könne!“. Das Erstaunen im Blick der alten Dame, war inzwischen dem blanken Entsetzen gewichen: „Das ist wirklich sehr gruselig! Sie erzählen das tatsächlich so, als seien Sie dabei gewesen.“. Inzwischen war sie den Tränen nahe: „Woher wissen Sie das alles so genau?“, fragte sie. Ich ließ sie nicht lange auf die Antwort warten: „Ich weiß das, weil Sie leider nicht die erste sind, die man so auf’s Glatteis geführt hat. In letzter Zeit häufen sich die Fälle, die sich auch frappierend ähneln. Diese Täter sind gut geschulte Spezialisten, die ganz genau wissen, wie sie mit ihren Opfern reden müssen. Es gibt ganze Call Center, die meist im Ausland sitzen, die den ganzen Tag nichts anderes machen, als alte Menschen anzurufen und auf irgendeine Weise um ihr Hab und Gut zu bringen. Es ist auch in keiner Weise peinlich und zeugt auch nicht von Dummheit, wenn man darauf hereingefallen ist. Dumm ist es nur, das nicht zuzugeben, bevor alles zu spät ist!“. Die Frau fasste sich nun ein Herz und begann zu erzählen: „Meine Herren, Sie haben vollkommen recht! Mich hat ein mir unbekannter Mann angerufen, der behauptete ,er sei Polizeibeamter. Er nannte sich Kommissar Gärtner und sprach ein ausgezeichnetes Deutsch, ganz ohne Akzent oder so. Er erzählte mir genau die Geschichte, die Sie mir gerade unterbreitet haben, nämlich, dass man einen Mann festgenommen habe, der einen Zettel mit meinen persönlichen Daten in seiner Tasche gehabt habe. Er sprach sehr überzeugend und kompetent mit mir. Auch das mit dem Abgleich meiner Daten stimmt so. Ich habe ihm alle meine Bankverbindungen und Kontonummern gegeben und auch noch einige Versicherungsnummern. Wie Sie vielleicht schon bemerkt haben, liegen die Unterlagen dazu noch hier vor uns auf dem Tisch. Ich musste sie heraussuchen, weil ich das alles nicht im Kopf habe. Auch das mit der Falle ist richtig. Ich sollte alles Bargeld und meine Wertgegenstände wie Schmuck und dergleichen zusammensuchen und dann würde mich erneut jemand anrufen und einen Abholtermin ausmachen. Dazu kam es aber dann nicht mehr, weil Sie vorher eintrafen und ich Sie , Gott sei Dank, nicht losgeworden bin.“. Sie lächelte verlegen: „Ich habe sogar kurz mit meinem Sohn, der bei Frankfurt wohnt, telefoniert, weil der sich um solche Sachen wie Versicherungen kümmert und ich nicht wusste, wo die Unterlagen waren. Das war auch ganz schön knifflig, denn er war misstrauisch, weil ich mich sonst für so etwas nicht interessiere. Ich habe ihm dann erzählt, dass ich einen Brief von einer Versicherung bekommen hätte, für den ich etwas nachschauen und den ich dann entsprechend abheften wolle. Dann gab ich vor, jetzt zu meinem Kartenspielnachmittag zu müssen und das wir heute Abend reden könnten. Ich glaube aber nicht, dass ich ihn vollkommen überzeugt habe.“, diesmal schaute sie verschämt auf die gefalteten Hände in ihrem Schoß.„Na dann wollen wir doch mal sehen, was wir jetzt noch tun können!“, sagte der Kollege, während ich mich entschuldigte, um mit der Leitstelle zu telefonieren. Erstens waren wir schon eine geraume Zeit hier und zweitens war man dort sicher auch schon gespannt, wie diese Geschichte ausgehen würde. Schon bei der Einsatzvergabe hatte man uns gesagt, dass es nicht ganz einfach werden könnte, die alte Dame zu überzeugen. Deshalb war man dann da auch sehr erleichtert, als ich die Entwicklung mitteilte und unseren weiteren Verbleib vor Ort ankündigte, um Schadensbegrenzung zu betreiben.Die nächste Stunde verbrachten wir nun damit, die alte Dame dabei zu unterstützen, vieles wieder rückgängig zu machen, was sie unter der Anleitung des Anrufers vorbereitet hatte. Wir telefonierten also mit Banken und Versicherungen, ließen uns beraten, was zu tun sei, sperrten Konten und riefen auch den Sohn nochmals an, um ihm die Geschehnisse zu schildern und ihm mitzuteilen, was er noch erledigen müsse. Er hatte immerhin sämtliche Vollmachten seiner Mutter, um ihre finanziellen Belange zu regeln.Die alte Dame erholte sich immer weiter und drückte immer wieder ihre Dankbarkeit uns gegenüber aus. Übrigens kamen die Anrufe tatsächlich mit der Anruferkennung 110 bei ihr an. Dieser perfide Trick kommt immer häufiger vor und weckt bei den Opfern ein trügerisches Vertrauen. Wir klärten die Dame darüber auf, dass die Polizei NIE mit dieser Anruferkennung anrufe, sondern meist gar keine habe.Wir verließen die alte Dame mit dem guten Gefühl, hier ganze Arbeit erledigt zu haben. Zum Glück lief hier die Zusammenarbeit der Leitstelle mit uns vorbildlich und wir standen unter keinerlei Zeitdruck.Als ich kürzlich nach meiner langen Krankheitszeit in den Dienst zurückkehrte, wollte es der Zufall, dass meine neue Stelle auch beinhaltet, Beschwerden und Danksagungen von Bürgern zu archivieren. Als ich das bemerkte, nahm ich mir den entsprechenden Ordner vor und fand dort tatsächlich ein sehr liebes Schreiben der alten Dame an den Polizeipräsidenten vor, das voll des Lobes dem Kollegen und mir gegenüber war. Durch meine Erkrankung hatte es mich nie erreicht. Aber auch fast zwei Jahre später, habe ich mich sehr darüber gefreut!

Frau Engel


Neulich im Spätdienst… Es war kurz vor Weihnachten und meine Kollegin und ich halfen mal wieder auf einer befreundeten Wache aus.
In den Abendstunden erhielten wir plötzlich den Einsatz, zu einer Frau zu fahren, der man soeben die Handtasche gestohlen hatte.
Der Tag war schon die ganze Zeit extrem nebelig gewesen und jetzt in der Dunkelheit war die Sicht doch arg eingeschränkt. Trotzdem sollten wir auf der Anfahrt auf den flüchtenden Täter achten, den wir vermutlich nur dann gesehen hätten, wenn er uns direkt vor den Streifenwagen gelaufen wäre.
Am Einsatzort trafen wir dann zunächst nur den Anrufer an, der den Vorfall selber gar nicht mitbekommen hatte. Er hatte nur als Nachbar der Arztpraxis, vor der der Diebstahl geschah, die Hilferufe der Frau gehört und war sofort zu ihr geeilt. Leider konnte er sonst nichts zum Sachverhalt beitragen.
Die Bestohlene weilte inzwischen in der Arztpraxis und harrte auf unser Eintreffen.
Als wir die Praxis betraten, erkannten wir sofort um wen es sich handeln musste. Die alte Frau saß im Wartebereich gegenüber des Tresens und wurde von einer der jungen Arzthelferinnen betreut.
Das Opfer ich nenne sie von nun an Frau Engel, denn dieser Name erscheint mir passend war sehr aufgeregt und bedurfte dringend der Betreuung.
Das freundliche Personal stellte uns sofort einen der Behandlungsräume zur Verfügung und wir stützten Frau Engel, als wir uns in den Raum zurückzogen. Eine der Arzthelferinnen brachte ihr noch ein Beruhigungsmittel und ein Glas Wasser, bevor wir mit der dringend notwendigen Befragung begannen.
Langsam beruhigte sich Frau Engel etwas und begann zu erzählen:
Frau Engel ist 83 Jahre alt, leidet seit Jahren unter Parkinson, Narkolepsie, einer Herzschwäche und laboriert noch mit den Folgen eines Hüftbruches herum. Dadurch ist ihre Gehfähigkeit sehr stark eingeschränkt und sie ist auf ihren Elektroscooter angewiesen, um im täglichen Leben noch mobil zu sein.
Um sich die Treppe zur Praxis ihrer behandelnden Ärztin zu ersparen, fährt Frau Engels regelmäßig mit ihrem Scooter direkt vor den Hauseingang und wartet dort, bis ein anderer Besucher oder Bewohner des Hauses in der Praxis ihr Warten vor der Tür kundtut. Die Angestellten kennen das Prozedere gut und bringen dann das vorher bestellte Rezept vor die Tür, oder helfen Frau Engel in die Praxis.
Heute war sie gerade vor der Tür angekommen, nachdem sie bei ihrer in der Nähe gelegenen Bank Geld am Automaten geholt hatte, als sich ihr ein fremder, junger Mann näherte. Frau Engel hatte ihre Handtasche sorgsam in einer großen Einkaufstasche aus Kunststoff verborgen, die an der linken Armlehne ihres Scooters hing. Der Täter konnte die Handtasche also nicht zufällig bemerkt haben, war ihr also vermutlich schon von der Bank aus gefolgt. Er beugte sich nun genau an dieser Stelle über Frau Engel und sah sie direkt an. Frau Engel war dies äußerst unangenehm und das sagte sie dem Täter auch. Da verschwand dieser aber auch schon eilig und Frau Engel konnte gerade noch erkennen, dass er ihre Handtasche in der Hand hielt und um die nächste Ecke verschwand.
Sofort rief sie um Hilfe, was den eben erwähnten Nachbarn auf den Plan rief. Leider war der Unhold schon im dichten Nebel verschwunden, sodass der Helfer die Verfolgung nach wenigen Schritten abbrach.
Frau Engel hatte sich inzwischen etwas beruhigt, wohl auch als Resultat aus dem Medikament. Sie saß mir klein und ängstlich aber doch irgendwie würdevoll gegenüber. Leider konnte sie uns zur Beschreibung des Täters nicht viel Neues erzählen und ich gab das wenige, was wir erfuhren sofort an die Leitstelle weiter.
Natürlich hatte die alte Dame viele wichtige Dinge in ihrer Tasche gehabt. Dazu gehörte glücklicherweise aber nicht ihr Hausschlüssel. Da aber das Sperren von EC-Karten sowohl langwierig als auch kompliziert ist und zu allem Überfluss auch noch Unterschriften auf Formularen erfordert, die wir leider nicht dabei hatten, schlugen wir Frau Engel vor, sie mit zur Wache zu nehmen und später nach Hause zu bringen.
Die alte Dame hatte aber nun Angst, ihr elektrisches Gefährt alleine am Orte des Verbrechens zurückzulassen. Sie bat uns, doch selbständig ihre Wohnung aufsuchen zu dürfen. Wir könnten sie dann ja dort abholen. Da ihr Domizil in unmittelbarer Nähe zum Tatort lag, war dies ein Gefallen, den wir ihr nur allzu gern tun wollten.
Da wir durch den Straßenverkehr aufgehalten wurden, trafen wir sogar erst kurz nach Frau Engel an ihrer Adresse ein. Sie parkte ihren Scooter sorgfältig ein und holte dann zu unserem Entsetzen ihren Hausschlüssel aus einem Versteck vor dem Haus! Während wir noch die Hände über dem Kopf zusammenschlugen, erklärte sie uns etwas verlegen, dass sie nur zwei Schlüssel besitze und einer bei ihrem Pflegedienst sei, damit dieser morgens, wenn er vorbeikomme, auch in die Wohnung könne. Nun habe sie aber auch eine Haushaltshilfe, die zu unterschiedlichen Zeiten erscheine. Damit diese in ihrer Abwesenheit nicht vor verschlossener Tür stehe, habe man sich auf dieses Versteck geeinigt. Einen weiteren Schlüssel nachmachen zulassen, ist für Frau Engel nicht bezahlbar.
Während die Gute ihre Bankunterlagen zusammensuchte, plauderten wir etwas über ihre Verhältnisse. Sie war im Arbeitsleben Apothekerin gewesen und hat bis ins hohe Alter von über 70 Jahren noch gearbeitet. Trotzdem ist aus dieser langen Beschäftigung nur eine recht bescheidene Rente entstanden. Von dieser kann sie sich gerade noch die kleine Wohnung leisten und Lebensmittel kaufen. Durch ihre Erkrankungen hat sie bereits eine Pflegestufe, die aber komplett von dem Pflegedienst verschlungen wird, der morgens für ein paar Minuten bei der Körperpflege und Medikamenteneinnahme hilft. Außerdem wird davon auch noch der Hausnotruf, der im Flur steht, bezahlt.
Mit den benötigten Papieren im Gepäck fuhren wir nun zur Wache. Während der Fahrt fragte ich Frau Engel, ob sie sich nicht schon einmal überlegt habe, sich selbst ein schönes Pflegeheim zu suchen. Ich fand den Gedanken, die alte Frau sei ständig alleine mit ihren Gebrechen, gelinde gesagt unangenehm. Besonders, weil sie mir erzählt hatte, dass sie häufiger bei alltäglichen Verrichtungen besinnungslos werde und sich bei den daraus resultierenden Stürzen auch schon häufig verletzt habe.
Frau Engel erwiderte auf die Frage nach dem Heim nur, dass sie sich dies in keinem Falle leisten könne. Außerdem wolle sie auch niemandem zu Last fallen. Da wir in diesem Moment bei der Wache eintrafen, ließ ich diese Antwort erstmal so stehen.
In der Wache hatten wir dann mit dem schon erwähnten Papierkrieg zu kämpfen. Außerdem übernahm ich die Telefonate, die zur Sperrung der Debit-Karten nötig waren. Einer der beiden Anrufe lief über ein automatisches Telefon-Service-System und verlief gänzlich ohne menschlichen Kontakt. Selbst ich hatte so meine Probleme mit den Tücken dieser Technik sodass Frau Engel vermutlich daran verzweifelt wäre.
Die alte Dame hatte sich inzwischen vollkommen beruhigt, immerhin hatten wir für sie auch noch etwas Schokolade aufgetrieben, um ihren Blutzuckerhaushalt in Schwung zu bringen.
Frau Engel beharrte darauf, dass sie keine weiteren Hilfen von Ämtern und Behörden in Anspruch nehmen wolle, um ihre allgemeine Lebenssituation zu verbessern. Sie stand auf dem Standpunkt, dass es sicherlich Menschen gebe, denen es noch schlechter erging als ihr und die dringender der öffentlichen Hilfe bedurften.
Frau Engel, das ehrt Sie ungemein. Aber bedenken Sie dabei doch bitte, dass sie sehr lange gearbeitet haben und einfach einen Anspruch auf gewisse Leistungen haben. Ich garantiere Ihnen, dass niemand weniger Hilfe bekommt, nur weil sie auch etwas davon in Anspruch nehmen!.
Doch Frau Engel ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie hatte ihr Leben lang hart gearbeitet und war nun wohl auch zu stolz, um die Unterstützung abzurufen, die sie sich mit ihrer Arbeit verdient hatte.
Nachdem wir den Amtsschimmel geritten hatten, brachten wir die gute Frau wie versprochen nach Hause. Wir rieten ihr nochmals eindringlich, eine andere Lösung für ihren Schlüssel zu finden und wünschten ihr alles Gute und ein frohes Fest. Sie versicherte uns im Gegenzug, dass sie mit ihrem Vermieter sprechen wolle und dass sie uns sehr dankbar für unsere Bemühungen sei.

Einige Zeit später, als dieser Einsatz bei mir schon in Vergessenheit geraten war, erschien ich zum Dienst in meiner Wache, wo eine Überraschung auf mich wartete.
Frau Engel hatte es sich nicht nehmen lassen, der Kollegin und mir eine prallgefüllte Weihnachtstüte mit allerlei Leckereien zukommen zu lassen. Dabei handelte es sich keinesfalls um Süßigkeiten vom Discounter, weswegen diese Aufmerksamkeit auch nicht billig gewesen sein konnte.
Diese alte Frau, die durch Krankheiten gebeutelt, bestohlen und zu stolz für die Annahme von Hilfe war, hatte nun auch noch ihre durch den Diebstahl arg strapazierten Finanzen für uns weiter dezimiert! Ich musste tatsächlich schwer schlucken, als mir mein Dienstgruppenleiter das Geschenk zeigte.
Zu allem Überfluss wusste Frau Engel bestimmt auch nichts von den strengen Bestimmungen, die in Bezug auf die Annahme von Geschenken für Beamte gelten. Durch ihre Großzügigkeit, hatte ihr Geschenk einen Wert jenseits der geltenden Grenzen.
Also nahm meine Kollegin, als sie ein paar Tage später als Fahrerin des Dienstgruppenleiters eingeteilt war diesen und das Geschenk bei der Hand und brachte es in eines der Kinderheime in der Stadt.
So hatten die Kinder dort wenigstens etwas Freude zu Weihnachten und wir kein schlechtes Gewissen. Denn eines ist klar: Frau Engel hätte diese Lösung bestimmt auch gefallen.

Was soll das denn?


Neulich scrollte ich so schön unbedarft durch meine Facebook-Timeline, als ich über etwas stolperte, was mir nicht nur diesen Tag versauen sollte.
Die Polizei in NRW hatte sich anscheinend dazu entschlossen, ein neues Dezernat einzurichten – nämlich das Dezernat C, wie Comedy.
Da kursierte doch tatsächlich ein Video im Internet, in dem sich zwei als Polizeibeamte verkleidete Schauspieler (lieber Gott, lass es bitte wirklich Schauspieler sein!) als Rapper versuchen und einem ahnungslosen Opfer mitteilen, dass seine Bewerbung bei der Polizei NRW Erfolg gehabt habe.
Mein Erster Kommentar unter diesem Facebook-Beitrag war: „Fremdschämen!“.
Inzwischen muss ich diesen Schnellschuss revidieren: Streicht das „Fremd“, denn ich schäme mich für meinen Berufsstand!
Wie kann es sein, dass da irgendwer aus seinem sicheren Büro heraus solche Dinge in Auftrag gibt und später auch abnickt, der von der daraus zwangsläufig resultierenden negativen Reaktion der polizeilichen Klientel aber definitiv verschont bleibt?
Nachdem ich mich vom ersten Schock erholt hatte, stellte ich zu allem Überfluss noch fest, dass es auf YouTube auch noch ein zweites Video zu sehen gibt, in dem die beiden gleichen Volldödel in Uniform in einer Straßenbahn ein altes Volkslied zum gleichen Zweck missbrauchen.
Was ist da los? Sitzen da im LAFP (Landesamt für Aus- und Fortbildung der Polizei) Menschen zusammen, die krampfhaft versuchen, uns das letzte Bisschen Respekt, das wir uns täglich im Dienst erkämpfen müssen, auch noch zu verderben? Von Kollegen kann und will ich hier bewusst nicht sprechen, denn kollegial ist dieses Verhalten nicht.
Wir leben in einer Zeit, wo jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Herrn Steinbrück wurde es sofort zum Vorwurf gemacht, als er Herrn Berlusconi als Clown bezeichnete. Hier wurden sofort Rufe nach Entschuldigung laut.
Ich denke, dass diese Videos, die man nicht mehr ungesehen und ungeschehen machen kann, auch einer Entschuldigung bedürfen! Einer Entschuldigung an alle Kolleginnen und Kollegen, die Tag für Tag und Nacht für Nacht ihren Dienst an der Gesellschaft verrichten und dabei nicht selten in Leib und Leben gefährdet sind.
Aber erwarte ich wirklich eine solche Entschuldigung? Meine nun schon 23jährige Erfahrung als Polizeibeamter ließ mich nicht einmal wagen darauf zu hoffen.
Ganz im Gegenteil musste ich dann auch noch auf RTL einen Bericht über diese Videos ertragen, in dem ein Sprecher des LAFP meinte: „Die Kollegen, die sich beleidigt fühlen, sollen das ganze nicht so ernst nehmen!“.
Richtig, warum sollte ich es auch ernst nehmen, wenn ich mal wieder am Wochenende Nachdienst versehe und bei jedem zweiten Einsatz jetzt auch noch ZU RECHT ausgelacht werde? Denn genau das ist die Reaktion, die wir auf diese Videos bekommen. Und ich kann es den Lachenden nicht mal verübeln, denn diese Filmchen sind wirklich nicht zu ertragen. Nicht einmal als Parodie, Persiflage oder als was sie auch immer gedacht waren.
Das Schlimme daran ist, sie haben auch noch viel Geld gekostet! Der Sprecher des LAFP sprach da von 3000,- Euro – pro Video! Das Land NRW muss sparen. Hier hätte es definitiv 6000,- Euro einsparen und an anderer Stelle besser verwenden können. Diese Videos sind ein Bärendienst für die Polizeibeamten auf der Straße.
Ist es eigentlich Zufall, dass diese Filme etwa zeitgleich mit den Überlegungen auftauchten, den Polizeidienst wieder für Bewerber ohne Abitur zu öffnen? Hat man da gleich das Niveau der Eigenwerbung entsprechend heruntergeschraubt? Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist die Tatsache, dass ich jetzt jedesmal, wenn mir mal wieder im Einsatz zugerufen wird: „Ihr seid so lächerlich!“, denken muss: „Stimmt – und mein Dienstherr ist Schuld daran!“.
Wer wirklich wissen will, wie es bei der Polizei zugeht, sollte sich lieber dieses Video ansehen:

Man kann nämlich die Realität in Musik und Video packen, ohne alles ins Lächerliche zu ziehen.

Da kann man nur…


Da kann man nur noch gegen anschreiben… und hoffen…

Eigentlich habe ich keine Zeit, einen Blogbeitrag über den 1. Juni in Frankfurt zu schreiben. Und Lust habe ich auch keine. Irgendwie erinnert mich das alles fatal an Stuttgart und an München.

Ein Kollege sprach mich vor ein paar Tagen darauf an. Ich sagte ihm, dass ich keine Lust mehr hätte, mich dazu zu äußern. Dass es mich nur noch ankotzt, wie vermeintliche und tatsächliche Fehlleistungen der Polizei hochgepuscht und ausgeschlachtet werden, mittlerweile auch von eigentlich mal seriös gewesenen Blättern auf Boulevardniveau, während kaum ein Mensch etwas zu den von durchschnittlich von 145 (2011) auf 165 (2012) angestiegenen Gewaltakten am Tag gegen Polizeibeamte zu sagen hat. Weil es Gewalt gegen Polizisten ja nicht gibt und sie schon gar nicht ansteigt. Genau! Ist zwar nachlesbar in der PKS, aber wen interessiert das schon?

Mein Kollege sagte: “Da kann man nur dranbleiben. Immer wieder eine Gegenöffentlichkeit bilden. Mehr geht nicht.”

Am liebsten würde ich es halten wie der Frankfurter Polizeipräsident und einfach nichts sagen, wie der HR am 3. Juni (Quelle 1) berichtete.

Ja, Entschuldigung, aber was bitte soll denn ein Polizeipräsident heutzutage überhaupt noch sagen? Stellt er sich zu 100% hinter seine Leute, ist es falsch, weil er angeblich keine Kritik zulässt. Verweist er auf die Tatsache, dass möglicherweise und unter Umständen auch die Polizei eine Sichtweise dazu hat, die vielleicht nicht ganz und gar unberechtigt ist, ist es auch falsch. Wozu sollte man sich vor dem Hintergrund noch die Mühe machen, Worte zu finden? Macht doch eh jeder draus, was am besten passt. Dann kann man auch schweigen. Das ist mal was Neues. Wenigstens hat man sich Arbeit gespart, bevor auch dieses Schweigen – natürlich – negativ ausgelegt wird.

Aber gut, ich mag meinen Kollegen. Also schreibe ich.

Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass die Polizei nicht die Demonstration an sich unterbunden hat, sondern lediglich einen offenbar gewaltbereiten Block separieren wollte. Einsatzkräfte sind mit Farbbeuteln und Pyrotechnik beworfen worden. Darüber hinaus gab es Verstöße gegen die Auflagen der Versammlungsbehörde, ebenso wie Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. U.a. hatten sich einige Teilnehmer der Demonstration vermummt, was mir sogar von einer sehr blockupy-freundlichen Dame auf Facebook versehentlich bestätigt wurde. Sie versuchte zwar, uns zu erklären, das sei gar keine Vermummung gewesen, sondern es habe sich um Sonnenbrillen und Clownsmasken gehandelt, aber de facto waren die Gesichter nicht erkennbar und damit lag ein entsprechender Verstoß vor. Wenn ich bei rot über die Ampel gehe, liegt auch ein Verstoß gegen die StVO vor und zwar vollkommen wurscht, ob ich das auf den Füßen oder auf den Händen tue. Im Übrigen ging es ausschließlich um eine Feststellung der Personalien, dann hätten die ca. 900 Menschen in dem “Kessel” wieder gehen können. Was daran so ein Problem ist, dass man lieber die Sache an sich blockiert, ist mir schleierhaft. Wenn man wirklich nur friedlich demonstrieren will und angeblich, wie vielfach behauptet, keine Gewalttaten begangen hat – wo ist dann das verdammte Problem, seinen Namen zu sagen?

Der Versammlungsleiter wurde mehrfach darauf hingewiesen, sich um Einhaltung der Auflagen zu bemühen. Warum er das nicht getan hat, wissen wir nicht. Wollte er es nicht tun? Konnte er es nicht, weil es ihm schlicht nicht möglich war, sich Gehör zu verschaffen? Auch das wird sein Geheimnis bleiben, weil sämtliche seiner gesendeten und gedruckten Statements den Schuldigen – ganz wie es üblich ist, wenn man heutzutage als kritisch durchgehen will – bei der Polizei verorteten.

Wo waren eigentlich die Pressevertreter vor Ort, als die Polizei dem Versammlungsleiter diese Hinweise gab? Ist der Mann just in dem Moment nicht interessant, in dem das Verhalten der Polizei ihm gegenüber nicht nur korrekt, sondern auch so gar nicht zu verdrehen ist?

Auch wurde ihm mehrfach angeboten, mit den nicht separierten Demonstranten den Aufzug fortzusetzen. Was er ablehnte. Was aus meiner Sicht nicht gerade für Friedensliebe spricht, denn wenn man wirklich friedlich demonstrieren will – sollte man sich dann nicht von Gewalttätern distanzieren, anstatt sich mit ihnen solidarisch zu zeigen?

Warum kann ich nichts über diese Angebote in der Presse lesen?

Und wo ich gerade dabei bin: wieso kann ich nirgends in der Presse etwas finden über den in diesem Video deutlich hörbaren Unterschied zwischen in sehr freundlichem Tonfall gehaltenen Durchsagen der angeblich gewalttätigen Polizei und ein einpeitscherischen Parolen der Gegenseite? Das muss doch alles für anwesende Berichterstatter sehr deutlich zu hören gewesen sein?

Bei der Pressekonferenz am Montag (3.6.) konnte die Polizei 907 sichergestellte Gegenstände herzeigen: “gefährliche Groß-Feuerwerkskörper, gebastelte Schutzschilde, Farbbeutel, Sonnenbrillen.” (Quelle 1). Diese waren den 911 Personen, die sich im “Kessel” befunden hatten, abgenommen worden. Ja, genau so sehen Gegenstände aus, die man mit sich führt, wenn man friedlich im Rahmen des Versammlungsgesetzes zu demonstrieren gedenkt. Ist klar! Leider waren diese Gegenstände dann aber gar kein Thema. Ebenso wenig, wie es offenbar ein Thema war, dass es auf Polizeiseite 21 verletzte Menschen gegeben hat. Einem Polizeibeamten wurde ein 20 cm langer Gegenstand in den Unterleib gerammt und eine Polizeibeamtin wurde von einem Ziegelstein am Kopf getroffen. In beiden Fällen verhinderte nur die Schutzkleidung schlimmeres.

Warum sind diese 21 verletzten Menschen genau so wenig Gegenstand der Berichterstattung wie die Sachbeschädigungen in Frankfurt in Höhe von mehreren tausend Euro? Sollte es so sein, dass Menschen, die den falschen Beruf haben, Menschen zweiter Klasse sind? Menschen, deren Verletzungen nicht zählen? Genau so, wie Sachbeschädigungen just dann nicht mehr berichtenswert sind, wenn es nur die Richtigen trifft? Die bösen Banken beispielsweise? Vielleicht habe ich da irgendwie ein ethisches Defizit, aber ich kann keinen moralischen Unterschied erkennen zwischen einer Sachbeschädigung am Fahrrad eines Umweltaktivisten und einer an einem Gebäude so genannter “Kapitalisten”. Ich dachte da mal, es gebe eine Gleichheit vor dem Gesetz…

Vor dem Hintergrund der – weitgehend unerwähnten, weil offenbar uninteressanten – 21 verletzten Polizeibeamten erscheint es wie blanker Hohn, wenn die Rhein-Zeitung eine Rheinhessin von einer “ungeheuerlichen Demo” schwadronieren lässt, auf der sie sich irgendwann “Bauch an Bauch mit einer massiven, fünfreihigen Polizeifront wieder” fand, mit Polizisten, die “voll auf Kampf ausgerüstet waren, mit Kampfanzügen, Gesichtsmasken, Mundschutz, Pistolen und Schlagstöcken. Das war schon sehr bedrohlich.” (Quelle 2). Es ist ja ok, dass in einem freien Land solche Meinungen gehört werden sollten. Aber, liebe Presse, gehört es nicht irgendwie zu einer neutralen Berichterstattung dazu, zu erwähnen, dass das erstens nicht “Kampfanzug” heißt, sondern “Schutzkleidung”? Und dass es zweitens ohne diese zwei Tote gegeben hätte? Oder denkt Ihr, dass der Ziegelstein, der eine Polizeibeamtin ganz gewaltfrei am Kopf getroffen hat, auch ohne Helm abgeprallt wäre? Wäre nicht wenigstens ein Hinweis angebracht, WARUM Polizisten einen Mundschutz tragen? Ist die Geschichte von der Berliner Polizistin schon vergessen, die mal den Mundschutz abgenommen hat, um etwas zu trinken, und just in diesem Moment eine Flasche ins Gesicht bekam? Was sie erst einmal ausknockte und ein paar Zähne kostete? Auch Menschen, die offenbar ein Problem damit haben, einzusehen, dass auch Polizeibeamte abends heil nach Hause kommen wollen, haben ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Aber muss man das wirklich einfach so stehen lassen – als hätte es in dieser Republik noch nie einen verletzten Polizeibeamten gegeben?

Manchmal beschleicht mich schon der Verdacht, dass es gar nicht mehr nur um Berichtserstattung geht. In Stuttgart war Wahlkampf. In München ist Wahlkampf. Offenbar ist es der neueste Trend, dass dieser auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werden soll.

In Hessen ist nicht Wahlkampf. Aber…

Plötzlich berichten Journalisten von Übergriffen. So fragt “eine FAZ-Journalistin, warum auch Personalien von Journalisten erfasst worden seien. Auf die Frage nach weiteren Fällen meldet sich ein zweiter FAZ-Journalist und schildert, wie seine Personalien trotz Presseausweis aufgenommen wurden.” (Quelle 1). Das kann natürlich so gewesen sein.

Einem RTL-Kameramann sei am Samstag ein Bein gestellt worden, ein Polizist habe ihm gesagt: “Verpiss dich.” Ah ja. “Verpiss Dich”. Auch das kann natürlich so gewesen sein. Wenn ich mir allerdings anhöre, was Polizisten an dem Tag alles an den Kopf geworfen wurde, ist “Verpiss Dich” zwar nicht gerade schön, aber vergleichsweise harmlos. Ich sage nur “Bullenschwein, Drecksbulle, Scheißbulle, Arschloch….”, um nur eine minimale Auswahl zu nennen. Aber die werden ja dafür bezahlt. Da muss man das wegstecken. Werden Kameraleute nicht bezahlt?

Wie dem auch sei, wenn das so gewesen sein sollte, war es unschön. Aber auch hier wäre es das Fehlverhalten von zwei Polizeibeamten von tausenden gewesen. Wieso wird das zum Anlass genommen, einen ganzen Einsatz zu delegitimieren?

Übrigens haben sich auch Journalisten an gewisse Regeln zu halten. Und woher weiß man eigentlich, ob es zu ihrer Version nicht noch eine andere gibt? Zum Beispiel die Version des Polizisten, der einen Journalisten weggedrängt hat, weil dieser massiv seine Amtshandlung gestört hat. Diese Version kann in einer Pressekonferenz natürlich nicht aus dem Hut gezaubert werden, weil der Polizist vermutlich schon an anderer Stelle im Einsatz ist und gerade nicht zum Verhör… äh… zur Pressekonferenz erscheinen kann. Wie praktisch!

In der Frankfurter Rundschau erschien ein Artikel (Quelle 3) über mehrere Frankfurter BFE-Polizisten, die sich über die Kollegen aus den anderen Bundesländern beklagen. Angeblich seien die “fremden” Polizisten angereist, hätten zugeschlagen und seien wieder abgereist. Zudem werden angeblich fehlende Kommunikatoren beklagt. Nun, vielleicht hätten diese Polizisten, wenn sie denn tatsächlich gesagt haben, was hier zitiert wurde, besser hinschauen sollen. Auf dem hier verlinkten Video sieht man nämlich durchaus welche.

Ein Journalist eben dieser Frankfurter Rundschau beklagte sich laut HR (Quelle 1) über einen “gefährlichen Armstoß” (was immer man sich darunter vorzustellen hat) und dann lässt er im Grunde die Katze aus dem Sack. “Wie solle er übergriffige Beamte melden, sagt er, außer Helm und Uniform sei ja nichts zu erkennen.”

Höre nur ich da deutlich die “Kennzeichnungspflicht-Nachtigall” trapsen? Offenbar kann man sich auch außerhalb eines Wahlkampfs kräftig in die Politik einmischen. Zumindest versucht man es.

Was habe ich überhaupt von einer Presse zu halten, die über “Hunderte von Verletzten” berichtet, von denen die Polizei offenbar gar nichts weiß. Wieso sonst müsste sie in einer Pressemitteilung die Öffentlichkeit um Beweise angehen (Quelle 4)? Das verwirrt mich, ehrlich gesagt, ein bisschen. Ich hoffe doch sehr, die Presse hat Belege für das, was sie veröffentlicht. Gut, qua Pressefreiheit müssen diese Beweise für Straftaten nicht bei den Strafverfolgungsbehörden abgeliefert werden? Aber ich frage mich doch, wenn hier Polizisten sich tatsächlich so empörend verhalten haben, wie permanent unterstellt wird – sollte dann nicht ein gewisses Interesse daran bestehen, diesen das Handwerk zu legen? Ein Interesse, das übrigens auch Blockupy nicht zu haben scheint, lässt sich doch auf der Facebook-Seite von Blockupy-Europe nachlesen, dass sie genau davor warnen, Beweismaterial abzugeben. Sehr interessant.

Ich hatte immer gedacht, die vierte Macht sei dazu da, zu informieren, damit man selbst sich ein Bild machen kann. Irgendetwas muss ich da falsch verstanden haben. Spannenderweise bin ich wohl nicht die einzige, die festgestellt hat, dass Blockupy nur von einer einzigen Instanz blockiert wurde – sich selbst.

Zum Glück ist seit der Volksabstimmung um S21 klar, dass jene, die am lautesten schreien, nicht zwingend die Mehrheit des Volkes vertreten, wie sie es so gerne von sich selbst behaupten. Das gilt dann hoffentlich auch für die Bewertung von Polizeieinsätzen. Bei der Blockupy-Demo am 1. Juni in Frankfurt/Main waren 7.000 Demonstranten – und die kamen noch nicht einmal alle aus Frankfurt, einer Stadt mit über 690.000 Einwohnern. Soweit zum Thema “Mehrheit”.

Quelle 1: “Blockupy-Pressekonferenz – Von der öffentlichen Meinung verlassen”, Online-Artikel auf der Homepage des HR vom 03.06.2013, URL: http://www.hr-online.de/website/specials/extended/index.jsp?rubrik=81261&key=standard_document_48646841

Quelle 2: “Rheinhessin erlebt “ungeheuerliche” Demo”, Online-Artikel in der Rhein-Zeitung vom 05.06.2013, URL: http://www.rhein-zeitung.de/region/mainzer-rhein-zeitung_artikel,-Rheinhessin-erlebt-ungeheuerliche-Demo-_arid,605268.html

Quelle 3: “Blockupy-Demonstration – Polizisten kritisieren Kollegen”, Online-Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 04.06.2013, URL: http://www.fr-online.de/blockupy-frankfurt/blockupy-demonstration-polizisten-kritisieren-kollegen,15402798,23119030.html

Quelle 4: Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Frankfurt / Main vom 07.06.2013

Zusätzliche Quellen im Bereich der “Berichterstattung”, die sich leider im Video nicht wiederfinden lässt:
http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/befugnisse-und-grenzen-der-polizei-regenschirme-sind-keine-vermummung-12211378.html

http://www.fr-online.de/blockupy-frankfurt/kommentar-zu-blockupy-frankfurt–die-gefaehrliche-macht-der-polizei-,15402798,23126298.html

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/augstein-kolumne-im-zweifel-zuschlagen-a-903393.html

Blockupy Frankfurt: Eskalation durch Polizei war geplant


Und was, wenn die Selbstblockade geplant war, um hinterher wieder einen schönen Shitstorm gegen die Polizei lostreten zu können?

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/frankfurt-schwerverletzte-bei-blockupy-demonstration-12204307.html
Komisch, aus Stuttgart gab es bei S21 wenigstens ein paar Videos, wenn auch nicht von den angeblich verprügelten Kindern. Hier gibt es gar keine. Warum nur?

Das Thema Blockupy-Demo in Frankfurt habe ich mir selbst erspart, da man mir sicherlich eine gewisse Voreingenommenheit unterstellt hätte.

Umso schöner, dass ich auch zu diesem Thema gar nichts selbst verfassen muss! Dieser Blogeintrag von Gerke Minrath, einer Nichtpolizistin, spricht mir aus der Seele und ich hätte ihn definitiv nicht besser verfassen können.

Quelle: http://www.kggp.de

Man kann es ja mal versuchen…


Neulich im Spätdienst: Ich fuhr mit meinem Kollegen nichtsahnend durch die Innenstadt. Plötzlich stand ein Mann wild gestikulierend an einer Straßenecke, dem wohl sehr an unserem Anhalten gelegen war. Also taten wir ihm den Gefallen. Ich steuerte den Streifenwagen an den Straßenrand und der Kollege ließ sogar das Beifahrerfenster herunter, um dem Bürger die Kontaktaufnahme zu erleichtern.Aufgeregt schilderte uns der Mann, dass er soeben sein Fahrrad, dass man ihm vor einiger Zeit entwendet hatte, vor einem Geschäft stehend vorgefunden habe. Solche Funde sind in unserer Stadt durchaus nichts ungewöhnliches, wenn auch nicht an der Tagesordnung.
Der Fahrradfinder hatte sich auch gleich detektivisch betätigt und in Erfahrung gebracht, dass in dem Geschäft außer den Angestellten auch noch mindestens ein Kunde zugegen war, der mit dem Fahrrad angereist sein könnte. Da das Fahrrad mit einem fremden Schloss gesichert war, ging er davon aus, dass es sich auch in Gebrauch befand. Diese Annahme konnten wir mit ihm teilen.
Also stellte ich den Streifenwagen in der nächsten Querstraße ab, der Kollege stellte sich mit dem Fahrradfinder an der linken Hausecke auf und ich machte den Umweg über die andere Straßenseite um Posten auf der anderen Seite des Eingangs zu beziehen. So hatten wir dann den Zugang zum Geschäft bestens im Blick und alle Fluchtwege waren auch noch abgedeckt.
Als wir nun so ein paar Minuten gewartet hatten, nicht ohne die neugierigen Blicke der Passanten auf uns zu ziehen, verließ ein Mann den betreffenden Laden und begab sich schnurstracks zu dem wiedergefundenen Fahrrad.
Wir sprachen ihn noch während des Öffnens des Schlosses an und er gab sich zunächst sehr überrascht. Als wir ihm unser Anliegen dargelegt hatten, wurde er sichtlich nervös. Er behauptete, er habe das Fahrrad vor ein paar Monaten auf dem hiesigen Flohmarkt für fünfzig Euro gekauft. Wir erwiderten, dass dies ja durchaus möglich sei, aber nichts an den Eigentumsverhältnissen ändern würde.
Natürlich mussten wir ganz sicher gehen, dass es sich bei dem Fahrrad tatsächlich um das des Finders handelte. Da er aber beim Verlust damals Anzeige erstattet hatte, war die Rahmennummer in unserem Fahndungssystem gespeichert. Und richtig – Die abgelesene und die gespeicherte Nummer stimmten überein!
Als der vorgebliche Käufer nun realisierte, dass wir sein Fahrrad einziehen würden, versuchte er es mit der Flucht nach vorn: „Von wem bekomme ich denn jetzt meine 50,- Euro zurück?“. Die Antwort war vorprogrammiert: „Von dem Herrn, von dem sie das Fahrrad gekauft haben, wenn sie ihn wiederfinden.“.
Das fand der Herr aber nun extrem unsportlich und jammerte: „Dann müssen sie mal alle Fahrräder auf dem Flohmarkt überprüfen! Das kann doch so nicht sein!“. Ich fragte ihn daraufhin, ob es ihm gar nicht komisch vorgekommen sei, dass er für ein gut erhaltenes Markenfahrrad nur 50,- Euro bezahlt hatte? Er war der Ansicht, dass dies nur seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken gewesen sei.
Da wir uns in seinen Augen ja nun nicht kooperativ zeigten, wandte er sich nun dem rechtmäßigen Besitzer des Rades zu: „Dann bekomme ich jetzt von ihnen 50,- Euro!“, forderte er selbstbewusst. Aufgrund dieses Witzes musste nicht nur der Eigentümer lachen, sondern auch wir konnten unsere Erheiterung nicht verstecken. Das machte den Schnäppchenjäger aber dann mal so richtig trotzig: „Wenn ich das Geld nicht von ihm bekomme, dann müssen sie es mir geben!“. Diesmal sollten wir beide wohl für ihn zusammenlegen. Ich erwiderte: „Das einzige, was sie von uns bekommen, ist eine Anzeige wegen Hehlerei. Unwissenheit schützt nämlich bekanntermaßen nicht vor Strafe.“.
„Aber wie soll ich denn jetzt nach Hause kommen? Sie nehmen mir ja gerade mein Fahrrad weg.“, fing er wieder an zu jammern. „Anscheinend haben sie nicht wirklich verstanden, dass dies nicht ihr Fahrrad ist und auch nie war.“, bekam er die Antwort meines Kollegen.
Da der frischgebackene Fußgänger nicht müde wurde, abwechselnd sein Geld von uns und dem Eigentümer zu fordern, bekam er dann letztendlich doch noch etwas anderes: Einen Platzverweis!

Dreistigkeit siegt nicht immer


Neulich im – ja es war wiedermal so weit – Nachtdienst. Meine Kollegin und ich hatten schon eine recht turbulente Nacht hinter uns. Kurz vor Ende der Schicht unterstützten wir gerade Kollegen, die wegen einer gefährlichen Körperverletzung ca 10 Personen überprüften.
Da sich diese Kunden recht ordentlich in unserer Gegenwart benahmen, konnte ich etwas gelangweilt in der Gegend herum schauen.
Mir fiel eine junge Frau auf. Nicht nur wegen ihrer leichten Bekleidung, sondern auch wegen ihres schwankenden Ganges, mit dem sie auf ein Auto zusteuerte, das verbotswidrig im absoluten Halteverbot geparkt war. Sie hatte etwas Mühe das Gehen und das gleichzeitige Essen einer Portion Pommes zu koordinieren. Ihr Ziel war aber klar: Das Auto. Selbst unsere Kundschaft bemerkte nur kurz: „Darf man in dem Zustand noch fahren?“. Ich vermute, dass den Jungs zunächst das viele, zugegebenermaßen attraktive, Bein aufgefallen war, dass Madame zeigte.
Am Fahrzeug angekommen stellte die Suche nach dem Schlüssel mit ihrem Imbiss in der Hand die Frau vor eine neue Herausforderung. Die Kartoffelschnipsel wanderten von einer Hand in die andere und wieder zurück, während die jeweils andere Hand ihre Taschen nach dem Schlüssel durchsuchte.
Irgendwann blickte sie in meine Richtung und stutzte. Ich waren wohl endlich die vier Polizeibeamten und die beiden Streifenwagen, wovon einer ein Bulli war, bemerkt. Einige Momente versuchte ihr benebelter Geist wohl, unsere Anwesenheit mit ihrem Vorhaben in Einklang zu bringen. Um ihr dabei behilflich zu sein, rief ich ihr zu: „Das ist keine gute Idee!“. Sie entgegnete nur: „Ich will nicht mehr fahren.“.
Inzwischen hatte sie ihren Schlüssel aus einer Tasche geangelt, schloss den Wagen auf und öffnete die Tür. Da sie jetzt wohl beide Hände brauchte, warf sie die Verpackung ihrer Pommes einfach auf die Straße. „Auch das ist keine gute Idee!“, rief ich herüber. Sie glotzte mich kurz an, bis sie kapierte, was ich meinte. Die junge Frau hob den Müll auf, zerknüllte ihn und warf ihn stumpf in ihr Auto. Dann suchte sie etwas im Fahrzeug, fand es wohl und warf die Autotür wieder zu. Sie drehte sich um und schwankte wieder in die Richtung, aus der sie gekommen war.
Ich war beruhigt und wandte mich wieder unserer Kundschaft zu. Als ich mich das nächste Mal umschaute, sah ich gerade noch, wie die Betrunkene die Fahrzeugtür von innen zuzog und den Motor startete. Sofort setzten meine Kollegin und ich uns in Bewegung und liefen auf den nun rückwärts fahrenden Wagen zu. Alles Winken und Rufen brachten Madame aber nicht zum Anhalten. Erst als meine Kollegin mit der Flachen Hand auf die Motorhaube schlug, sah die Frau sich bewogen zu bremsen.
Nachdem meine Kollegin Madame aus dem Auto komplimentiert hatte, zeigte sich diese sehr erstaunt: „Ich wollte doch nur in die Einfahrt da fahren!“. Unser Einwand, dass man auch dies betrunken nicht dürfe, ließ sie geflissentlich kalt. „Ich mache das immer so. Ich parke den Wagen auf dem Parkplatz da und hole ihn am nächsten Tag ab.“. Der freiwillige Alkotest ergab einen Wert von 1,62 Promille. Definitiv zu viel um ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu steuern. Ihre Sorge galt allerdings ihrem Auto und nicht ihrem Führerschein. „Fahren sie mein Auto jetzt auf den Parkplatz?“, fragte sie mich mit großen Augen. „Nein natürlich nicht, denn ich will nicht für mögliche Schäden aufkommen müssen. Wenn sie ihr Auto gleich hätten stehen lassen, stünde es jetzt nicht so unmöglich auf der Straße.“, antwortete ich ihr. Ein Passant, der mit seinem Fahrrad neben der Szenerie gestanden hatte, sah mich an und sagte: „Wie kann man denn so doof sein? Dabei haben sie sie doch noch gewarnt.“.
Als wir mit Madame rätselten, wie denn nun ihr Auto von der Fahrbahn käme, sah der Passant seine Chance gekommen, in Kontakt mit unserer Probandin zu kommen: „Brauchst du jemanden, der dein Auto einparkt?“, wandte er sich an die attraktive junge Frau. Diese zeigte sich so interessiert, wie ihr Zustand es zuließ. Der Ritter bat uns, auch einen Alkotest durchführen zu dürfen, damit ihm nicht das Gleiche wie Madame blühte. Er habe schließlich vor drei Stunden ein Bier getrunken. Der Test ergab 0,0 Promille, sodass er als Einparker infrage kam. Also zogen wir mit Madame und ihm los auf den Parkplatz, um uns nach einer freien Parkbox umzusehen. Unterwegs wollte der Passant wohl seinen Kontakt zu Madame intensivieren und sagte: „Ich heiße übrigens Ingo. Und wie heißt du?“. Madame gab nur kurz angebunden zurück: „Das ist mir im Moment scheiß egal!“. Undank ist halt der Welt Lohn!
Die junge Frau sagte noch zu meiner Kollegin: „Ich werde trotz Alkoholverbot trotzdem fahren!“. Ich denke sie meinte das Fahrverbot, dass wir ihr als Minimum an Strafe in Aussicht gestellt hatten. Meine Kollegin erwiderte nur: „Dann werde ich das auch genauso in die Anzeige schreiben!“.
Einen Gefallen hat sich Madame mit dieser Aussage sicher nicht getan. Außerdem erwartet sie wohl eher ein Führerscheinentzug als nur ein Fahrverbot. Mal schauen, ob ihr das dann auch so egal ist.

Mal nicht (nur) in eigener Sache


Wer meine diversen Internetpräsenzen kennt, weiß, dass ich mich in einem Verein engagiere, der „Keine Gewalt gegen Polizisten e.V.“ heißt. Ich bin dort stellvertretender Vorstandsvorsitzender und mit der Gründerin, Frau Gerke Minrath, gut befreundet. Frau Minrath ist im Übrigen keine Polizeibeamtin, sondern „nur“ eine Bürgerin, der es am Herzen liegt, uns Polizisten den Rücken zu stärken. Sie hat verstanden, dass eine starke Polizei auch einen starken Rechtsstaat bedeutet.
Der Verein verfügt auch über eine Facebook-Seite, die von mehreren lieben Menschen, auch von Nicht-Polizisten, administriert wird. Ja, auch von mir. Leider komme ich recht selten dazu, dort wirklich tätig zu werden. Die Seite ist sehr beliebt und ihre Anhänger bilden eine Querschnitt durch alle Schichten, Berufsgruppen, ethnische Zugehörigkeiten, etc.
Nun ist diese Seite immer wieder „Polizistenhassern“ aufgefallen, die dann sogleich ihre Meinung dort kundtaten. Da wir als Verein natürlich auch für die freie Meinungsäußerung stehen, wurde dies immer toleriert, solange sich alles auf einer sachlichen und legalen Ebene abspielte. Wer sich nicht an die einfachsten Umgangsformen halten konnte, flog raus – ungesehen seines Berufes oder gar seiner Rasse.

In dieser Woche ist unsere Seite wohl in das Fadenkreuz vieler „Fußballfans“ geraten, die über zu viel Tagesfreizeit verfügen. Auf mehreren „Fanseiten“, die ich hier nicht näher bezeichnen möchte, um dieser geistigen Diarrhoe nicht auch noch ein Forum zu bieten, wird offen zum Spamangriff gegen die Facebook-Seite  aufgerufen. Wer sich diese Seiten genauer anschaut, dem kann eigentlich nur übel werden. Da wird zur Gewalt aufgerufen in einem Stil, der auf bildungsferne Schichten als Verfasser schließen lässt. Zu allem Überfluss werden diese Schmähseiten anscheinend auch noch von so vielen geistigen Glanzlichtern gelesen, dass diese sich in Ermangelung einer sinnvollen Betätigung dazu genötigt sehen, diesen Aufrufen zu folgen. Und so wurde unsere Seite mit sinnfreien Kommentaren überflutet. Wir Administratoren konnten gar nicht so viel löschen, wie wir bei dieser Arbeit hätten kotzen können. Wir sind immer für eine sachliche Debatte zu haben. Was dort aber auf die beiden „diensthabenden“ Admins einstürmte, spottet jeder Beschreibung. Das hatte auch nichts mit freier Meinungsäußerung zu tun, sondern es handelte sich schlicht um eine dumme Hetzkampagne.
Schließlich entschied sich unsere Vorsitzende nach Rücksprache mit dem Vorstand, die Seite vorübergehend vom Netz zu nehmen.
Ich bin der Meinung, dass das Verhalten dieser „Ultras“ durchaus den Rückschluss auf ihre verminderten geistigen Fähigkeiten erlaubt. Uns kam der Vergleich mit der gemeinen Eintagsfliege in den Sinn, die über ein Kurzzeitgedächtnis von ca. einer Sekunde verfügt und deshalb immer wieder munter gegen die gleiche Fensterscheibe fliegt. Genauso langlebig wie diese Insekten werden wohl auch die Bemühungen sein, unsere Arbeit zu torpedieren.
Glaubt ihr tumben ACAB-Schreier eigentlich, dass ihr uns damit wirklich beeindruckt? Im Leben nicht! Im Gegensatz zu euch haben wir nämlich nicht nur die Moral auf unserer Seite, sondern auch das Gesetz!
Stellt euch also schon mal auf die eine oder andere Strafanzeige ein. Facebook ist natürlich auch informiert, wenn es bisher auch noch nicht reagiert hat. Die Erfahrung zeigt aber, dass man in diesem Unternehmen etwas braucht, bis solche Seiten gesperrt werden. Wenn das dann aber passiert – und davon gehe ich aus – habt ihr euch schön selbst ins Knie geschossen! Eure tollen Demagogen-Seiten werden dann nicht mehr von Tausenden gelesen und „geliked“.
Ich mache mir da keinerlei Illusionen, dass da nicht sofort gleichartige Seiten nachwachsen werden. Wir haben diesen Streit aber nicht vom Zaun gebrochen und für uns bedeutet er die Möglichkeit, die Rechtsstaatlichkeit unseres Handelns unter Beweis zu stellen.
Wir werden uns eurer Hetze nicht beugen und wir werden uns nicht auf euer Niveau herablassen!

Käsebrötchen und Unfähigkeit


Neulich im Spätdienst. Wir hatten zur Abwechslung mal wieder eine Auszubildende an Bord, die etwas erleben wollte. Was sich ihr dann aber bot, war dann doch etwas viel für eine Schicht.

Zunächst bestand der Dienst aus Routineeinsätzen. Verkehrsunfälle mussten aufgenommen werden, Fahrgeldhinterzieher mussten verfolgt und angezeigt werden und sich streitende Punks mussten getrennt und des Platzes verwiesen werden. Dann aber meldete die Leitstelle uns einen Randalierer in einer Tankstelle. Wir eilten zu der nahe gelegenen Zapfstation, um der weiblichen Bedienung zur Hilfe zu kommen. Diese wurde aber nicht mehr benötigt, denn der Übeltäter hatte sich bereits verzogen. Ein Mann war in die Tankstelle gekommen und machte sofort einen alkoholisierten Eindruck auf die Kassiererin. Er brachte jede Menge Leergut mit und mokierte sich darüber, dass die Benzinverkaufe über keinen Leergutautomaten verfügte. Natürlich wollte er direkt Nachschub verklappen, hatte aber wohl Probleme damit, das ersehnte Nass aus dem Behältnis zu bekommen. Sprich: Er bekam die Flasche nicht auf. Weiterhin schimpfend und fluchend verlangte er von der Bedienung eine Schere. Da er aber an diesem Tag bereits das dritte Mal in der Tankstelle seinem Unmut Luft machte, verweigerte die Frau ihm diese Forderung. Daraufhin begann er unverständliche Wortschwalle über die Bedienung zu ergießen und spuckte im Verkaufsraum aus. Als die verschreckte Frau nach einem Telefon suchte, verließ er den Laden, nicht ohne vorher noch gegen Verkaufsaufsteller getreten zu haben. Die Angestellte war grundsätzlich froh darüber, dass er nun weg war, wollte aber auch, dass wir ihm wenn möglich das Hausverbot, das sie verhängt hatte, aussprechen sollten. Da sie seine Worte nicht wirklich verstanden hatte, verzichtete sie auf die Anzeige wegen Beleidigung. Ihre Beschreibung des Kerls war aber so brauchbar, dass wir uns gewisse Chancen ausrechneten, ihn zu erwischen.
Um den winzigen Verkaufsraum der Tankstelle nicht zum Bersten zu bringen, hatte mein Kollege im Auto gewartet. Als unsere Kommissarsanwärterin und ich in den Streifenwagen stiegen, teilte er uns mit, dass etwa zehn Meter weiter erneut ein Notruf wegen eines Randalierers in einer Bäckerei abgesetzt worden war. Weit schien unser Delinquent ja nicht gekommen zu sein!
Im Weiteren werde ich unseren Kunden Käsebrötchen nennen, denn dieses verspeiste er gerade bei unserem Eintreffen und dieses Nahrungsmittel war Bestandteil nahezu eines jeden Satzes, den er mit uns wechselte. Käsebrötchen saß auf einem Barhocker an einem Stehtisch im Eingangsbereich der Bäckerei. Während ich ihn direkt ansprach und nach seinem Ausweis fragte, sprach mein Kollege die Bäckereifachverkäuferin hinter der Theke auf den Grund unseres Erscheinens an. Käsebrötchen tat zunächst erstaunt, warum er Ziel unserer Ermittlungen sei. Seinen Ausweis wollte er mir erst mal nicht geben, da er sich keiner Schuld bewusst zu sein vorgab. Immer wieder biss er herzhaft in sein Brötchen und spuckte mir munter Brocken davon beim Sprechen entgegen. Ich bin eh schon kein Freund dieses Nahrungsklassikers, aber dergleichen dargeboten, ekelte es mich noch mehr an.
Der Kollege hatte inzwischen in Erfahrung gebracht, dass die belegte Backware nicht das einzige Begehren unseres neuen Freundes war. Er hatte munter die Verkäuferin darum gebeten, ihm doch einen zu blasen. Als diese angewidert entgegnete, dass sie nun die Polizei anrufen wolle, spornte dies Käsebrötchen nur zu dem Ausspruch an, dass wir dann das Gleiche bei ihm verrichten dürften. Nun bin ich etwas altmodisch und halte nichts von solchen Praktiken beim ersten Treffen. So kam es, dass Käsebrötchen der Einzige war, der blasen durfte. Und zwar in unseren Alkomaten. Vorher beteuerte er noch, dass er nur antialkoholische Getränke zu sich genommen habe. Seine stattliche Standarte sagte aber etwas ganz anderes aus. Ich konnte kaum hinsehen als seine dunklen Lippen, von denen die untere zur Hälfte mit Butter behaftet war, sich um das Mundstück legten, denn ich erwartete fast eine Fehlermeldung, ob der Verstopfung durch hineingeblasene Essensreste. Käsebrötchen verzichtete auch beim ersten Versuch nicht auf seinen schwer verständlichen Redeschwall. So kam es natürlich nicht zum gewünschten Ergebnis. Ich wies ihn darauf hin, dass Reden und Blasen in den seltensten Fällen funktionieren würde. Also klappte der zweite Versuch reibungslos. Unsere Azubine stand nur verschmitzt lächelnd daneben und genoss die Show wie die anderen Kunden der Bäckerei. Als das Gerät endlich den Wert ausspuckte, fragte ich erstmal Käsebrötchen: „Welches antialkoholisches Getränk muss man denn genießen, um damit über zwei Promille zu erreichen?“. Er grinste nur und fragte, ob er denn nun nach Hause gehen dürfte. Er wolle jetzt nur noch schlafen, wo er doch gerade gefrühstückt habe. Wie erwähnt befanden wir uns im Spätdienst und hatten schon einige Stunden hinter uns. Also eine gute Zeit für ein Frühstück.
Ich eröffnete ihm, dass er jetzt zwar schlafen könne, aber nicht zu Hause, sondern in unserem Gewahrsam. Das verstand Käsebrötchen nun gar nicht, denn er wohnte doch angeblich um die Ecke. Dumm für ihn, dass ich bei ihm eine Abmeldebescheinigung von eben diesem Zuhause gefunden hatte. Außerdem hatte er am Anfang unserer Bekanntschaft erwähnt, dass er im örtlichen Obdachlosenasyl wohne. Für ihn war das aber kein Grund, nicht trotzdem auf dem Nachhausegehen zu bestehen. „Ich kann ihnen irgendwie nicht glauben, dass sie das wirklich tun. Und da ich weder Zeit noch Lust habe, mich vor ihre Tür zu stellen und das zu überwachen, bleibt ihnen wohl keine andere Wahl, als mitzukommen.“, teilte ich ihm freundlich mit.
Käsebrötchen war immer noch nicht mit seiner Mahlzeit fertig. Ich ließ mir von der freundlichen Bedienung eine Tüte für seine angenagte Backware geben, die er aber fröhlich und unverständlich vor sich hin brabbelnd ignorierte. Mein Kollege und ich schoben ihn nun mit sanftem Nachdruck aus der Bäckerei und hin zum Streifenwagen. Immer wieder biss Käsebrötchen kleine Happen ab, um sie gleich darauf mit seinem Wortschwall wieder auszuscheiden. Ich war froh, dass ich an diesem Tag Fahrer war, denn so musste ich nicht hinten bei ihm Platz nehmen. Käsebrötchen redete in einer Tour. Meistens über Käsebrötchen und dass es kein Verbrechen sei, eines zu essen. So sehr wir ihm da auch zustimmten konnten wir ihn nicht davon überzeugen, dass dies ja auch gar nicht der Grund für seine ungewollte Reise war. Mein Kollege öffnete sein Seitenfenster weit und forderte unseren Mitfahrer auf, doch bitte in die andere Richtung zu sprechen, da sein Bedarf an vorgekautem Käsebrötchen mehr als gedeckt sei. Zwischenzeitlich degradierte Käsebrötchen sein Käsebrötchen sogar zum schnöden Butterbrötchen, denn er ließ die letzte Scheibe Käse versehentlich auf den Rücksitz fallen – na danke auch!
Selbst noch im Gewahrsam versuchte unser Gast uns immer noch davon zu überzeugen, dass er doch einfach nach Hause gehen könne. Davon hielten wir nichts und deshalb gingen wir darauf auch nicht ein. Nachdem Käsebrötchen mit einem Nachtlager versorgt war und noch Hunger angemeldet hatte, vielleicht weil ein Teil seiner Mahlzeit auf unserem Rücksitz vor sich hin roch, wollten wir soeben das Präsidium verlassen, als ein Einsatz über die Funklautsprecher im Gewahrsamsraum unsere Aufmerksamkeit auf sich zog.

Im benachbarten Landeskrankenhaus hatte man einen Notruf abgesetzt. Dort sollte ein Patient derart randalieren, dass das Krankenhauspersonal nicht mit ihm klar kam.
Also besetzten wir schleunigst unseren Streifenwagen, bogen zweimal ab und trafen als erstes Fahrzeug am Landeskrankenhaus und der betreffenden Station ein. Dabei hatten wir noch zwei Streifenwagen im Schlepptau. Da einer der beiden auch noch einen Auszubildenden an Bord hatte, waren wir also mit insgesamt 8 Beamten und Beamtinnen recht gut aufgestellt.
Wir stürmten die Treppe zu der Station hoch, nachdem wir von einem Mitarbeiter erfahren hatten, dass der Patient sich selbst hatte einweisen lassen wollen. Wie üblich wurde er zu den erforderlichen Aufnahmeformalien zum Pfortenhäuschen geschickt. Damit wohl unzufrieden, hatte er dort begonnen, die Mitarbeiter anzugreifen. Man hatte ihn daraufhin mit vereinten Kräften bis in das Gebäude, wo er aufgenommen werden sollte, gebracht. Auf dem Treppenabsatz vor der geschlossenen Abteilung war er dann erneut derart ausgerastet, dass man ihn nur noch zu Boden bringen und fixieren konnte. In dieser Situation trafen wir dann auch auf den Wüterich. Er lag auf dem Rücken, die Arme vom Körper weg gestreckt. Wären da nicht insgesamt vier Männer gewesen, die auf seinen Extremitäten hockten, hätte das Ganze doch an eine Kreuzigungsszene erinnert. So war es nur ziemlich grotesk, denn es standen auch noch zwei Männer daneben und versuchten den Typen zu beruhigen. So waren also insgesamt sechs Bedienstete mit einem Patienten nicht zurecht gekommen. Das „Opfer“ schrie wild herum und bäumte sich ständig gegen seine Last auf. Dabei beleidigte er alle Anwesenden durch. Mein Kollege erfragte nun unsere Aufgabe in diesem obskuren Meeting. Ein Angestellter teilte ihm mit, dass der Patient eine Etage tiefer in einem normalen Zimmer „zwischengelagert“ werden sollte. Im Moment sei man gerade dabei, ein Fixierbett vorzubereiten. Wir staunten nicht schlecht. Es ging also darum, den Herrn in sein Zimmer zu bugsieren. Dazu waren wir also in Gruppenstärke hier erschienen!
Ein Kollege einer anderen Streifenwagenbesatzung und ich übernahmen jetzt diese Aufgabe. Wir fesselten den Patienten und halfen ihm auf. Da er sich immer noch meinte wehren zu müssen, nahmen wir ihn zwischen uns in den beidseitigen Kreuzfesselgriff. Ein Mitarbeiter der Klinik fragte uns, nachdem wir nach dem kürzesten Weg zum Aufzug gefragt hatten, ob wir den Kerl nicht eben die eine Treppe herunter führen könnten. Mein Kollege schaute ihn finster an und antwortet: „In dem Griff brechen sich alle drei alle Knochen, wenn sie die Treppe benutzen! Wenn es so einfach ist, warum haben sie das dann nicht selbst gemacht?“. Daraufhin verstummte der Mitarbeiter und wies nur still in die richtige Richtung.
Irgendetwas hatte dieser Patient intus, was ihn schmerzunempfindlich machte und ihm gleichzeitig Bärenkräfte verlieh. Normalerweise erfordert der Kreuzfesselgriff keine Kraft, da sich der Transportierte bei Gegenwehr selbst weh tut. Dies schien den Typen aber gar nicht zu interessieren. Er hielt munter dagegen und machte uns Vorwürfe, wir hätten unseren Beruf verfehlt, weil wir ihn derart behandelten. Vollkommen durchgeschwitzt kamen wir endlich vor dem Zimmer an.
Leider war das Fixierbett noch nicht fertig, sodass wir unser Paket zunächst in einer Ecke parken mussten. Die Angestellten schwirrten um das Bett herum und hantierten mit Ledergurten und Magneten herum. Währenddessen war unser Patient wieder zu Atem und Kraft gekommen, sodass er sowohl versuchte, sich loszureißen, als auch nach uns zu treten. Uns blieb nichts anderes übrig, als ihn auf einen kleinen Tisch zu drücken, der in unserer Ecke stand. Das hatte zur Folge, dass wieder die wilden Beschimpfungen losgingen, denn wir weigerten uns unverständlicherweise strikt, ihn wieder aufrecht stehen zu lassen.
Als das Bett endlich vorbereitet war, hievten wir unser Päckchen darauf und drapierten ihn in die richtige Position. Den Kollegen und mich schien der Patient besonders zu mögen, denn er drohte uns an, uns „In den Arsch zu ficken“, während es sich der Rest gegenseitig derartig besorgen sollte. Sorry für die krasse Wortwahl, es handelt sich aber wie immer nicht um die meine. Laut brüllte er: „Ihr seid so armselig! Das ist genau das, was ich wollte und ihr merkt es noch nicht mal! Ihr seid alle unfähig, ihr gebt mir einfach was ich will!“. Wenn es das war, was er wollte, verstand ich allerdings seine nicht abbrechende Gegenwehr nicht recht. Nach einigem Gerangel, etlichen Beleidigungen und mehrfacher Absprache unserer Befähigung für den Beruf, war der Patient endlich an Ort und Stelle.
Schwitzend verließen wir das Zimmer und die Abteilung. Im Auto angekommen, bemerkte ich erst die großen Augen unserer Auszubildenden. Sie hatte zu Beginn der Schicht geäußert, doch etwas erleben zu wollen. Dieser Wunsch war nun mehr als erfüllt worden. Sie stellte uns viele Fragen und bemerkte, dass sie den eben abgearbeiteten Einsatz selbst nicht bewältigt bekommen hätte. „Wie soll ich denn reagieren, wenn ich alleine mit einem Kollegen zu so etwas gerufen werde?“, fragte sie uns. Der Kollege antwortete nur: „Dann bleibt der Typ halt so lange sicher fixiert liegen, bis deine Verstärkung eintrifft. Die solltest du dann nämlich dringend anfordern!“.
Das war für unsere junge Kollegin, aber auch für uns, genug Aufregung für einen Tag. Erschöpft aber auch zufrieden beendeten wir unseren Dienst. Immerhin war niemandem von uns etwas passiert.

2011 im Rückblick


Die WordPress.com Statistikelfen fertigten einen Jahresbericht dieses Blogs für das Jahr 2011 an.

Hier ist eine Zusammenfassung:

Ein New York City U-Bahnzug faßt 1,200 Menschen. Dieses Blog wurde in 2011 etwa 5.000 mal besucht. Um die gleiche Anzahl von Personen mit einem New York City U-Bahnzug zu befördern wären etwa 4 Fahrten nötig.

Klicke hier um den vollständigen Bericht zu sehen.

Farbe in der Nacht


Neulich im Nachtdienst erhielt unsere Leitstelle einen Anruf von einem Bürger, der von seinem Fester aus beobachtete, wie zwei junge Männer gerade eine Hauswand seiner Wohnung gegenüber beschmierten.
Auch in unserer Stadt sind Graffiti ein großes Problem, das nicht nur ästhetischer Art ist. Also sprangen mein Kollege und ich in unseren Streifenwagen und fuhren so schnell wie möglich zum Tatort der ungeliebten Stadtverschönerung. Sprayer agieren leider meistens nachts und an eher unzugänglichen Orten, wo sie nicht mit der Störung durch die Ordnungsorgane rechnen müssen. Auch in diesem Fall war der Ort aus dieser Sicht gut gewählt. Die Hauswand befand sich an einer Ausfallstraße, die nachts nur wenig frequentiert wird. Fußgänger sind da so selten, wie schöne Graffiti. Zudem kann man die Straße in beide Richtungen sehr gut einsehen, sodass herannahende Ordnungshüter schnell auffallen.
Unsere beiden Künstler hatten sich die Arbeit wohl geteilt, denn nach Angaben des Anrufers stand der eine an der Straße Schmiere, während der andere sich als Michelangelo versuchte.
Womit sie aber nicht gerechnet hatten, war das absolut besonnene und schon professionelle Verhalten des Melders. Viele Bürger schrecken die Sprayer auf, indem sie aus dem Fenster rufen. Meist geschieht das dann mit der Androhung, man würde die Polizei anrufen, oder der Information, man habe dies gerade erledigt. Natürlich wartet dann keiner der Farbschmierer auf unser Eintreffen, was deren Ermittlung doch erheblich erschwert.
Unser Anrufer schaute sich das Geschehen in aller Ruhe an und versorgte die Leitstelle laufend per Telefon mit Informationen. Prima gemacht!
So kam es, dass wir auf der Anreise schon zwei recht gute Personenbeschreibungen bekamen, sowie von der Petze an der Straße wussten. Zu unserem Glück herrschte ja nicht viel Verkehr. Also konnten wir auch schon frühzeitig auf das Blaulicht verzichten. Aus der anderen Richtung sollte noch ein anderer Streifenwagen von einer befreundeten Wache zu uns stoßen.
Als wir uns noch ca. einen Kilometer vom Tatort entfernt befanden, meldete der Anrufer, dass die beiden Fassadenverschandler ihr Machwerk wohl beendet und nun ihre sieben Sachen eingepackt hätten. Man schlendere nun die Straße auswärts entlang, das Werkzeug der Verschandelung in einer Plastiktüte verstaut.
Gut, dass der Dienstherr uns mit recht schnellen Autos ausgestattet hat, denn die Bebauung in dieser Richtung wird immer spärlicher und die Flora am Straßenrand immer üppiger. Die beiden waren aber von ihrem vollendeten Werk so befriedigt und gelassen, dass sie keinen Grund zur Eile erkannten. Nur etwa zwanzig Meter vom Tatort entfernt, taten wir sie auf. Dank der Personenbeschreibungen und mangels anderer Fußgänger in der Gegend, erkannten wir sie sofort. Sie schauten etwas verdutzt, als ich den Streifenwagen vor ihnen auf den Gehweg lenkte. Grund zur Flucht schienen sie aber nicht zu erkennen, denn sie blieben brav stehen, als wir den Wagen verließen.
Die beiden, ich nenne sie mal Hans und Franz, sahen uns erwartungsvoll aber gar nicht schuldbewusst an. Als wir ihnen platt auf den Kopf zu sagten, dass man ihr Machwerk beobachtet habe, wich die Farbe aus Hans‘ Gesicht, während Franz sein Pokerface aufsetzte. Franz war, wie sich herausstellte, ein alter Bekannter aus der hiesigen Graffitiszene. Er war schon so oft erwischt worden, dass er eine gewisse Routine im Umgang mit unserem Berufsstand entwickelt hatte. Leider hat er inzwischen auch ein Verbot des Mitführens von Graffitiutensilien. Sein Kommentar dazu war lediglich: „Wieso? Ich trage doch gar nichts! Die Tüte hat er doch!“. Toller Kumpel!
Hans versuchte seine Tat zu rechtfertigen: „Ich habe auf einer Internetseite eines Anwalts gelesen, dass es keine Sachbeschädigung ist, wenn man eine Wand besprüht, die vorher schon besprüht war.“. Ah ja! Wenn das wirklich so auf der Seite gestanden haben sollte, wundere ich mich über die Rechtsauffassung des betreffenden Anwalts. Ist es etwa auch keine Körperverletzung, wenn ich einer bereits verletzten Person noch eben die Zähne ausschlage?
Ich erwiderte nur kurz: „Na ja, da wollen wir mal hoffen, dass der Richter das auch so sieht!“.
Während ich mich mit einer Kamera bewaffnet zum Tatort begab, erledigte mein Kollege mit Unterstützung der inzwischen eingetroffenen Kräfte die Durchsuchung und Personalienfeststellung von Hans und Franz. Es war übrigens kein Problem, auf der schon recht stark besprühten Wand Hans‘ und Franz‘ sogenanntes Tag zu identifizieren. Als Tag bezeichnen die Sprayer ihre Signatur, mit der sie für die Szene ihre Werke kennzeichnen. Oft besteht das Graffito nur aus diesem Tag. Auch hier war es so und praktischer Weise waren beide Tags noch nicht trocken. Eines der beiden Graffiti befand sich übrigens wunderbar frei auf einer unbespühten Stelle der Wand, sodass die Anwaltsgeschichte dafür eh nicht gegriffen hätte.
Bei der Durchsuchung fanden die Kollegen in der Tüte die benutzten Spraydosen und bei Hans zusätzlich ein Butterflymesser, das nach dem Waffengesetz als verbotener Gegenstand gilt, sowie eine Packung Knallkörper, deren Mitführen nach dem Sprengstoffgesetz zu dieser Jahreszeit auch einen Verstoß darstellte. Außerdem stellte sich heraus, dass Hans noch minderjährig war, solche Böller also zu keiner Zeit besitzen durfte.
Franz, der volljährig war, durfte dann seines Weges ziehen, während der minderjährige Hans uns zur Wache begleiten musste. Immerhin mussten wir seine Erziehungsberechtigten kontaktieren, um zu erfragen, was mit ihm passieren sollte. Zu allem Überfluss kam Hans auch noch aus einer anderen Stadt und war zu Besuch bei Franz.
Als wir in der Wache angekommen waren, versuchte mein Kollege Hans‘ Mutter zu erreichen. Das gab mir die Gelegenheit, Hans eine Frage zu stellen: „Also hier gilt es in der Szene als verpönt, die Tags anderer Sprayer zu übertünchen. Ist das in deiner Stadt anders?“. Hans schaute nur betreten zu Boden und schüttelte den Kopf. Dachte ich es mir doch! Hans hatte sich gedacht, in einer anderen Stadt wird die Szene ihm schon keinen Ärger machen können.
Mein Kollege hatte inzwischen Hans‘ Mutter erreicht. Die war natürlich hoch erfreut darüber, solche Nachrichten nachts weit nach drei Uhr zu erhalten. Einerseits hatte sie keine Möglichkeit, ihren Sprössling abzuholen, andererseits wollte sie auch auf gar keinen Fall, dass er bei Franz weiter übernachtete. also einigte sich der Kollege mit ihr, dass wir für Hans‘ Unterbringung in einem hiesigen Jugendheim sorgen würden.
So kam es, dass Hans dann mit einem blau-silbernen Taxi zu seiner Schlafstätte gebracht wurde, um dann am nächsten Tag mit dem Zug nach Hause zu fahren. Erfreut war er über diese Regelung zwar nicht, aber wir waren ja schließlich auch nicht auf einem Kindergeburtstag.
Fast schon lächerlich erscheint mir eine Aussage von Franz, die er noch vor Ort tätigte: „Ich kenne meine Rechte!“, sagte er, als es um sein Mitführverbot ging. Schön wäre es gewesen, wenn er die Rechte der anderen genauso gut kennen und deren Wahrung ebenfalls so vehement einfordern würde!

Münstersche Zeitung vom 02.09.2011

Münstersche Zeitung vom 02.09.2011