Neulich im Nachtdienst.
Ich bin gerade dabei mit zwei Kollegen (wir haben zur Zeit wieder Auszubildende im Praktikum bei uns) eine Unfallflucht aufzunehmen, da bemerken wir auf einmal ein junges Pärchen, das ein Problem zu haben scheint.
Er läuft vorne weg, sie immer hinterher, laut nach ihm rufend. Er wechselt die Richtung, Richtungswechsel bei ihr.
Jetzt hat er uns endlich entdeckt und ruft uns zu: „Können sie mal dafür sorgen, dass die mir nicht immer hinterherläuft? Ich will mit der nichts mehr zu tun haben!“.
Hilfsbereit, wie ich von Natur aus bin, setze ich mich in Bewegung. Nun beginnt erstmal das alte Kinderspiel „Fangen“, denn immer wenn ich auf die junge Frau zusteuere, wechselt sie sofort in die entgegengesetzte Richtung. Da ich ja noch mit einem andere Einsatz beschäftigt bin, wende ich mich auch immer brav ab, in der Hoffnung, dass sich ja mit dem letzten Richtungswechsel alles erledigt hätte.
Als der junge Mann, wie in einem schlechten Slapstickfilm, zum dritten Mal an mir vorbei kommt – wohlgemerkt immer aus einer anderen Richtung – habe ich die Faxen dicke und will die Personalien der jungen „Dame“ feststellen. Ich schreibe hier „Dame“ extra in Anführungszeichen, denn sie stellte sich als wahrlich nicht damenhaft heraus.
Das Fräulein sieht mich kommen und versucht erneut das Weite zu suchen. Für mich geht das alles aber inzwischen über einen simplen Scherz hinaus.
Als ich sie endlich einhole, schreit sie mich direkt an: „Sie dürfen mich nicht anfassen!“. Auch meine Beteuerungen, dass ich dies gar nicht beabsichtigt hätte, beruhigen sie in keiner Weise.
Als ich sie nun auffordere, mir ihren Ausweis zu zeigen, gibt sie nur zur Antwort: „Ich habe nichts getan! Meinen Ausweis bekommen sie auf keinen Fall! Und sie dürfen mich nicht anfassen!“.
Wieder versuche ich ihr zu erklären, dass sich in den letzten 20 Sekunden meine Absicht in Bezug auf das Anfassen nicht geändert hat.
Allerdings weise ich sie natürlich auch darauf hin, dass sie verpflichtet ist, mir ihre Personalien anzugeben und dass ich mir diese notfalls mit Zwang aus ihrer Handtasche holen werde.
Das bringt sie noch mehr in Rage! „Sie dürfen mich nicht anfassen! Wenn sie mich anfassen, verklage ich sie!“.
Jetzt wird mir das Ganze zu blöd und ich greife nach der Handtasche. Diese wird flux hinter dem Rücken versteckt und als ich trotzdem danach greifen will, trifft mich der erste Tritt direkt am rechten Knie!
Jetzt bin ich richtig stinkig, vergesse aber nicht, dass ich es da mit einem jungen Mädchen zu tun habe. Jeder andere hätte sich jetzt entweder ein paar gefangen, oder die Bekanntschaft mit meinem Pfefferspray gemacht.
Ich versuche also, die Furie so zu bändigen. Da ich etwa das Doppelte wiege, wähne ich mich hier im Vorteil. Aber falsch gedacht! Sie schlägt wild um sich, rammt mir ihren Ellenbogen in den Solarplexus und ich bekomme nur weiter Luft, weil ich unter dem Hemd meine Schutzweste trage!
Jetzt ist es endgültig genug! Während ich sie zu Boden drücke, um sie zu fesseln, kommt der junge Mann von gerade angelaufen (genau der, wegen dem ich hier jetzt auf einer 19jährigen hocke) und bittet mich, sie doch laufen zu lassen. Er habe das doch gar nicht gewollt. Auch meine Beteuerungen, dass ich das auch bestimmt nicht so gewollt habe, beeindrucken ihn wenig.
zum Glück treffen jetzt jede Menge Kollegen ein, die von meinen beiden Streifenpartnern, die das Schauspiel von der anderen Straßenseite beobachtet hatten, alarmiert wurden. Sie selbst hatten ja noch mit der Unfallflucht zu tun!
Also Fräulein Rührmichnichtan ins Auto und zum Gewahrsam gefahren, Tränenorgien und Beschimpfungen während der Fahrt ertragen und dann schnell die Blutprobe anordnen, denn Frau Doktor wartet schon im Polizeigewahrsam.
Letztendlich stellt sich heraus, das die „Dame“ der Polizei mehr als nur bekannt ist. ich muss mir wiedereinmal die Drohung mit dem Ende meiner Karriere anhören und setze sie dann vor die Tür. Zu allem Unglück ist das Gewahrsam in dieser Nacht so voll, dass wir sie für diese „Lappalie“ nicht hier behalten.
Ich weiß nur, dass ich das nächste Mal, keinem Mann mehr in seinen Beziehungsstreitigkeiten (denn als solche stellte sich die ganze Geschichte heraus) helfen werde.
Leider sind solche Situationen inzwischen Alltag. Wo soll das noch hinführen?
Geschrieben von Albert Müller-Tramzal 02 Jul, 2009 14:16:07
Hallo Thorsten,
auch ich freue mich sehr, einmal aus dem Alltag der „Hüter des Gesetzes“ zu erfahren. Wer die Gesetze des demokratischen Staates respektiert, hat nichts zu befürchten Es ist gut, das es Euch gibt, sonst würden wir in Anarchie versinken.
Weiter so, ich freue mich neue Berichte!
Zu der Geschichte oben, Zitat:
„Leider sind solche Situationen inzwischen Alltag. Wo soll das noch hinführen?“
Richte Dich auf weitere Steigerungen ein! Für mich ist unsere Zivilisation im Auflösen begriffen!
Liebe Grüße
Albert
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Geschrieben von Gerke Minrath 01 Jul, 2009 11:52:13
Lieber Thorsten,
ich finde, dieser Blog ist eine sehr gute Idee. Meiner Meinung nach können wir Laien uns gar nicht ausreichend über Euren Beruf informieren und uns ein Bild machen, was Ihr quasi täglich erlebt.
Ich denke, wenn Ihr so offen über Eure Gedanken und Erlebnisse berichtet, kann das dazu führen, dass wir uns (hoffentlich) klarer werden, dass Ihr auch einfach nur Menschen seid und nicht einfach ein Feindbild, mit dem man nach Belieben verfahren kann, wie mit einem Fußabtreter.
Der Schlag in den Solarplexus hat mir beim Lesen weh getan. Ich habe vor vielen Jahren Jiu-Jutsu betrieben und mit einem weißen Gürtel einen Braungürtel (brauner Gürtel ist schon richtig, richtig gut und einen weißen Gürtel kriegt jeder) mit eben so einem Schlag von den Beinen geholt. Nicht, weil ich so toll war, sondern weil ich meinen Schlag nicht richtig unter Kontrolle hatte (zu spät abgebremst). Mann, das war mir schon sehr peinlich, als der arme Kerl erst rückwärts gegen die Wand fiel, langsam und nach Luft ringend daran runterrutschte und dann keuchend auf dem Boden lag. Mein Trainer hat sich erst vergewissert, dass kein Notarzt nötig ist und mich dann darauf aufmerksam gemacht, dass so ein Schlag tödlich sein kann, wenn man nur genug Kraft reinlegt… smiley
So etwas ist mir auch nie wieder passiert!
Wenn man wirklich in Not ist, kann man das sicherlich in Erwägung ziehen, aber doch nicht gegen einen Polizisten!?!?! Ist mir unverständlich…
So, das war’s fürs Erste,
LG,
Gerke
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